Stell dir vor, du schlenderst über einen indonesischen Markt auf Java. Es duftet nach Gewürzen und exotischen Speisen. Zwischen all den Ständen entdeckst du ein unscheinbares, weißlich überzogenes Sojabohnen-Patty – Tempeh. Was heute als pflanzlicher Fleischersatz in hippen Berliner Restaurants serviert wird, hat eine jahrhundertealte Geschichte, die auf der Insel Java begann. Lass uns in dieser Tempeh-Story eintauchen: von der traditionellen Herstellung über regionale Variationen bis hin zum Siegeszug in deutsche Küchen.

Traditionelle Tempeh-Herstellung: Fermentation mit Geschichte
Die Wurzeln von Tempeh reichen weit zurück – bis ins 12. Jahrhundert nach Java. Damals suchten die Menschen nach Wegen, Bohnen haltbar zu machen und dabei eine reichhaltige Proteinquelle zu gewinnen. Die Lösung lag in einem besonderen Fermentationsprozess: Man entdeckte, dass der Schimmelpilz Rhizopus oligosporus auf gekochten Sojabohnen innerhalb weniger Tage ein festes, aromatisches Geflecht bildet. So entstand Tempeh – eine fermentierte Bohnenplatte, die nicht nur länger haltbar war, sondern auch leichter verdaulich und nährstoffreicher als gekochte Bohnen.
Traditionell wurde Tempeh in Indonesien auf ganz einfache Weise hergestellt: Gekochte Sojabohnen wurden mit Hibiskusblättern (Waru-Blättern) gestapelt, in Bananenblätter gewickelt und etwa 2-3 Tage in der tropischen Wärme fermentiert. In diesen Blättern fühlte sich der Tempeh-Pilz pudelwohl – er spross als weißer Flaum, der die Bohnen zu einem festen Block zusammenwachsen ließ. Dieses natürliche Verfahren erzeugte die ersten Tempeh-Starterkulturen ganz ohne Labor. Wenn du neugierig bist, wie man Tempeh heute selbst machen kann, schau doch mal in unsere Herstellung von Tempeh – dort findest du eine Schritt-für-Schritt-Anleitung und Tipps für Zuhause.
Während der Kolonialzeit schaffte Tempeh den Sprung aus Indonesien nach Europa. Niederländische Kolonialherren lernten den günstigen Proteinlieferanten kennen und brachten ihn in ihre Heimat mit. Doch außerhalb Javas blieb Tempeh lange ein Geheimtipp. Erst im 20. Jahrhundert, insbesondere ab den 1970er Jahren, entdeckte die internationale vegetarische und vegane Bewegung Tempeh für sich. Das fermentierte Sojaprodukt passte perfekt zum Zeitgeist einer gesunden und nachhaltigen Ernährung – schließlich war es ein vollwertiger Fleischersatz mit Biss und Charakter.

Regionale Tempeh-Variationen: Von Java bis in die Welt
Tempeh ist unglaublich vielseitig. Nicht nur die Sojabohne dient als Basis – im Laufe der Zeit haben verschiedene Regionen und Kulturen kreative Variationen entwickelt. Auf Java selbst gibt es z.B. Tempe gembus, ein fluffiges Tempeh aus Sojapressrückständen (den Resten aus der Tofuherstellung). Es ist günstig zu haben und wird gerne knusprig frittiert oder in würzigen Eintöpfen wie Sayur Lodeh verwendet. Eine andere javanische Spezialität ist Tempe semangit, auch bekannt als „stinkender Tempeh“. Das ist Tempeh, das ein paar Tage länger gereift ist – mit kräftigem Aroma. In kleinen Mengen verleiht es traditionellen Gerichten wie Sambal Tumpang eine pikante Würze. Mutige Feinschmecker schwören darauf, auch wenn der Geruch gewöhnungsbedürftig ist.
Bei der Verpackung zeigen sich ebenfalls regionale Traditionen: In Indonesien nennt man Tempeh im Blatt auch Tempe gódhóng. Es wird bis heute oft in Bananenblätter oder Teak- und Hibiskusblätter gewickelt fermentiert. Dieses Tempeh im Naturmantel hat ein erdiges Aroma, das viele mit dem Geschmack ihrer Kindheit verbinden. Heutzutage findet man Tempeh allerdings auch häufig in perforierten Plastikbeuteln fermentiert – praktisch, aber eben nicht ganz so romantisch wie die Blatt-Variante.
Doch Tempeh hat längst die indonesischen Landesgrenzen überschritten und wurde weltweit angepasst. Wusstest du, dass es Tempeh aus schwarzen Bohnen, Kichererbsen oder sogar Süßlupinen gibt? In Europa und den USA tüfteln Lebensmittelhandwerker an lokalen Varianten. So entwickelte eine Forschergruppe in Schweden 2008 eine Art Hafer-Tempeh aus Gerste und Hafer, um in nördlichen Klimazonen eine Alternative ohne Soja zu haben. In Deutschland setzen einige Hersteller auf Lupinen-Tempeh, oft „Lupeh“ genannt – eine fermentierte Spezialität aus heimischen Lupinenbohnen, die sojafrei und proteinreich ist. Diese regionalen Interpretationen zeigen: Tempeh ist mehr als nur Soja + Pilz. Es ist eine flexible Fermentationstechnik, die verschiedenste Hülsenfrüchte in leckere Fleisch-Alternativen verwandeln kann.
Nicht alle Experimente waren allerdings ungefährlich: Eine Tempeh-Sorte aus Zentral-Java namens Tempe bongkrèk – fermentiert mit Erdnuss- und Kokosrückständen – ist berüchtigt dafür, dass sie manchmal gefährliche Bakterien beherbergt. In der Vergangenheit kam es durch kontaminiertes Tempe bongkrèk zu Vergiftungen, sodass diese Variante sogar zeitweise verboten wurde. Keine Sorge: Das klassische Tempeh aus Bohnen ist sicher und gesund. Solche Anekdoten unterstreichen nur, welch experimentierfreudige Kultur die Tempeh-Herstellung hervorgebracht hat.


Tempeh und die neue Esskultur: Zwischen Tradition und Food-Trend
Tempeh hat eine weite Reise hinter sich. Von den Dörfern auf Java, wo es einst als “Arme-Leute-Essen” galt, bis in die Food-Startups unserer Zeit. In Indonesien selbst war Tempeh lange so alltäglich, dass es fast einen Rustikal-Image hatte – der Ausdruck “Tempeh-Mentalität” wurde in den 1960ern gar spöttisch für etwas Provinzielles verwendet. Doch das hat sich grundlegend gewandelt. Heute erlebt Tempeh auch in seiner Heimat einen Image-Wandel zum Superfood: Reich an Proteinen, Vitaminen und Probiotika, dabei vegan und nachhaltig. Eine moderne indonesische Tempeh-Bewegung wirbt stolz für das Nationalgericht und bringt neue Tempeh-Rezepte hervor. Vom einfachen frittierten Tempeh mit Sambal bis zu Gourmet-Kreationen – Tempeh ist in Südostasien allgegenwärtig.
International wurde Tempeh vor allem in den letzten Jahrzehnten bekannt. In den 1970er Jahren tauchte es in US-Gesundheitskreisen und Hippie-Küchen auf, wo es als exotischer Tofu-Ersatz gefeiert wurde. In vegetarischen Restaurants Europas hielt Tempeh ab den 1980ern Einzug – anfangs etwas versteckt in Weltläden oder Asia-Shops, später immer öfter auch im Bio-Laden um die Ecke. Seine globale Popularität hängt eng mit dem Trend zu pflanzlichen Proteinalternativen zusammen. Denn Tempeh bietet genau das, wonach viele suchten: eine köstliche Alternative zu Fleisch mit bissfester Textur und einem eigenen, nussig-pilzigen Geschmack. Anders als sein weißer Cousin Tofu hat Tempeh eben Charakter und Aroma, was Küchenchefs auf der ganzen Welt inspiriert.

Tempeh in Deutschland
Von der Nische zum Trend
Auch in Deutschland hat Tempeh inzwischen seinen festen Platz gefunden – wenngleich er lange eine Nischenrolle innehatte. In den 1990er Jahren konnte man Tempeh hierzulande erstmals in einigen Bioläden und Reformhäusern entdecken. Damals stieg eine Welle von Vegetariern und Veganern auf, die neue Fleisch-Alternativen suchten. Tempeh war exotisch, spannend – aber vielen noch unbekannt. Über die Jahre wurde die Verfügbarkeit besser: Immer mehr Biomärkte führten Tempeh ein, Food-Blogs teilten Tempeh-Rezepte, und neugierige Hobbyköche probierten sich daran.
Richtig Fahrt auf nahm Tempehs Popularität ab den 2010er Jahren. Mit dem allgemeinen Veggie-Boom schaffte es Tempeh auf die Speisekarten trendiger Cafés und Restaurants. Sogar Imbisse und Burger-Läden experimentierten mit Tempeh-Burgern und Tempeh-Wraps. Die deutsche Küche entdeckte Tempeh neu – sei es als knusprig mariniertes Tempeh-„Speck“ im BLT-Sandwich oder gewürfelt im Thai-Curry. Foodies lieben die Story hinter Tempeh, diesen Hauch von indonesischer Streetfood-Tradition auf dem Teller.
Dennoch: Neben dem allseits bekannten Tofu blieb Tempeh lange der Underdog. Eine Anekdote aus der Branche verdeutlicht das: Markus Schnappinger, ein Pionier der Tempeh-Produktion im Allgäu, verkauft pro Jahr etwa eine Million Tempeh-Blöcke an deutsche Biomärkte – damit ist er der größte hiesige Produzent. Zum Vergleich: Der Tofu-Marktführer Taifun aus Freiburg produziert doppelt so viele Tofublöcke pro Monat. Tempeh hinkte also in der Bekanntheit hinterher. Doch die Lücke wird kleiner, denn immer mehr Menschen entwickeln Geschmack an der fermentierten Delikatesse.
Der Markt für Fleischersatzprodukte boomt jedenfalls. Seit 2008 verzeichnet Deutschland jährlich rund 30 % Umsatzwachstum in diesem Segment. Davon profitiert auch Tempeh: In der ganzen Republick sind in den letzten Jahren gleich mehrere regionale Tempeh-Manufakturen entstanden. Es gibt mittlerweile zahlreiche Tempeh-Anbieter, von kleinen Start-ups bis zu etablierten Bio-Marken, die Tempeh „Made in Germany“ anbieten. Ob klassisch aus Soja oder innovativ aus Lupinen – die Auswahl wächst stetig. Und die Verbraucher? Die sind neugierig auf Neues: Viele Flexitarier und Gesundheitsbewusste probieren Tempeh als gesunde, nachhaltige Fleisch-Alternative aus.



Fazit: Ein Bohnenblock erobert die Welt
Die Geschichte von Tempeh liest sich fast wie ein kulinarisches Märchen: Eine uralte indonesische Fermentationstradition entwickelt sich vom lokalen Grundnahrungsmittel zum globalen Trendgericht. Tempeh vereint das Beste aus zwei Welten – traditionelle Herstellung und moderne Ernährungsbedürfnisse. Vom Straßenimbiss in Java bis zur veganen Gourmetküche in Berlin begeistert Tempeh durch Vielseitigkeit und Geschmack.
Hast du jetzt Lust bekommen, Tempeh selbst zu kosten oder sogar herzustellen? Dann bist du nicht allein: Immer mehr Foodies entdecken diesen fermentierten Leckerbissen. Und keine Sorge, falls du neu im Tempeh-Game bist – auf unserer Website findest du alles, was du wissen musst. Schau zum Beispiel in den Beitrag Nährstoffreiche Powerquelle, um zu erfahren, was in Tempeh alles Gutes steckt. Oder interessierst du dich für die Ökobilanz? Dann wirf einen Blick auf Umweltschutz durch Tempehproduktion. Eines ist sicher: Tempeh ist weit mehr als nur ein Fleischersatz – es ist ein Stück Kulturgeschichte auf unserem Teller, das mit jedem Bissen eine Story erzählt.